§ 5 Entstehung der Aktiengesellschaft
I. Überblick
- historische Erfahrungen ("Gründerkrach" von 1873) veranlassten
den deutschen Gesetzgeber schon frühzeitig (2. Aktiennovelle von
1884) die Gründung einer AG detailliert und streng zu regeln ®
jetzt: §§ 23 – 53, 275 – 277, 399 AktG
Einheitsgründung (Simultangründung):
Gründer übernehmen alle Aktien; das "breite Publikum"
kommt erst mit fertiger Gesellschaft in Berührung
Stufengründung (Sukzessivgründung):
Gründer müssen nur je Aktie übernehmen; Publikum
kann schon in der Gründungsphase Aktien zeichnen
|
- im 19. Jahrhundert wurden die meisten Aktiengesellschaften auf dem
Wege der Stufengründung errichtet ®
da es dabei zu vielen Mißbräuchen kam, wurden die gesetzlichen
Vorschriften verschärft, was wiederum die Stufengründung unattraktiv
machte ® im deutschen Aktiengesetz von
1965 ist nun nur noch die Einheitsgründung geregelt
- sehr häufig entstehen neue Aktiengesellschaften heute durch Umwandlungen
nach dem UmwG-1994
II. Ablauf des Gründungsvorgangs (Neugründung)
1. Feststellung der Satzung
a) Inhalt der Satzung
· Mindestinhalt
- Firma und Sitz der AG, Gegenstand des Unternehmens, Höhe
des Grundkapitals, Zerlegung des Grundkapitals in Nenn- oder Stückaktien
u.a.m. (§ 23 Abs. 3 AktG)
- Bestimmungen über die Form der Bekanntmachungen ®
seit dem 1.1.2003 verweist der neugefasste § 25 Satz 1 AktG insoweit
auf den "elektronischen Bundesanzeiger"
· Inhalt bei "qualifizierter"
Gründung
- Angaben über zugesagte Sondervorteile (§ 26 Abs. 1 AktG)
- Angaben über den sog. Gründungsaufwand (§ 26 Abs.
2 AktG)
- Angaben über beabsichtigte Sacheinlagen ®
Leistungen auf Einlagen, die nicht durch Einzahlung des Ausgabebetrages
zu erbringen sind (§ 27 AktG) ®
wird hiergegen verstoßen, richten sich die Rechtsfolgen
nach §§ 27 Abs. 3, 54 Abs. 2 AktG
- Angaben über beabsichtigte Sachübernahmen ®
AG verpflichtet sich schon bei der Gründung durch schuldrechtlichen
Austauschvertrag, einen Gegenstand entgeltlich zu erwerben (§
27 AktG) ® wichtig: anders
als im GmbH-Recht werden insoweit nicht nur Geschäfte mit
Gesellschaftern, sondern auch mit Dritten erfasst
· weiterer Inhalt –
insoweit ist § 23 Abs. 5 AktG zu beachten
b) Akt der Feststellung
- Feststellung durch die Gründer (§§ 2, 28) in notarieller
Form (§ 23 Abs. 1 AktG)
2. Zeichnung der Aktien
- Gründer müssen sämtliche Aktien übernehmen ("zeichnen")
– Anteile der einzelnen Gründer müssen in notariell beurkundeter
Gründungsurkunde angegeben werden (§ 23 Abs. 2 Nr. 2 AktG)
- die Gesellschaft selbst darf nicht zeichnen (§ 56 Abs. 1 AktG)
- mit der Übernahme aller Aktien durch die Gründer entsteht
die Vor-AG (§ 29 AktG)
3. Bestellung der Gründungsorgane
- Gründer bestellen den ersten Aufsichtsrat und die Abschlussprüfer
für das erste Geschäftsjahr (§ 30 Abs. 1 – 3 AktG) ®
der erste Aufsichtsrat ist grundsätzlich mitbestimmungsfrei ®
anders, wenn bei Gründung ein Unternehmen eingebracht wird (§ 31
Abs. 1 AktG)
- Aufsichtsrat bestellt ersten Vorstand (§ 30 Abs. 4 AktG)
4. Aufbringung des Grundkapitals
- bei Bareinlagen muss mindest ein Viertel des geringsten Ausgabebetrages
und das Agio (in voller Höhe) eingezahlt werden (§§ 36 Abs. 2,
36a Abs. 1, 54 Abs. 3 AktG)
- für Sacheinlagen § 36a Abs. 2 – hier Ausnahme in Satz 2 insb.
für Einbringung eines Unternehmens praktisch bedeutsam (fünf
Jahre Frist für Leistung)
5. Gründungsbericht
- Gründer haben schriftlichen Bericht über die Gründung
zu erstatten - § 32 AktG
6. Gründungsprüfung
- nach Erstattung des Gründungsberichts haben die Mitglieder von
Vorstand und Aufsichtsrat zu prüfen § 33 Abs. 1 AktG
- zusätzlich in der Praxis fast immer Prüfung durch externe
Prüfer (§ 33 Abs. 2 – 5 AktG) ®
das Transparenz- und Publizitätsgesetz v. 19.7.2002 hat die Neuregelung
des § 33 Abs. 3 Satz 1 AktG eingefügt ®
hiernach kann der beurkundende Notar in bestimmten Fällen die Gründungsprüfung
übernehmen (nicht aber in den Fällen der qualifizierten Gründung)
7. Anmeldung zum Handelsregister
- durch alle Gründer, Vorstände und Aufsichtsratsmitglieder
(§ 36 Abs. 1 AktG) ® zu den Unterlagen,
die der Anmeldung beizufügen sind vgl. § 37 Abs. 4 AktG
- Abgabe von Versicherungen gemäß § 37 Abs. 1, 2 AktG ®
hieran knüpft Haftung nach den §§ 46 ff. an, sowie strafrechtliche
Verantwortlichkeit gem. § 399 AktG
8. Registerrichterliche Prüfung
- Gericht hat Einhaltung der formellen Gründungsvorschriften zu
prüfen und die Vereinbarkeit der Satzung mit dem materiellen Recht
(§ 38 Abs. 1, 2) ® aber seit 1998 Beschränkung
der registerrichterlichen Prüfung durch § 38 Abs. 3 AktG
9. Eintragung in das Handelsregister
- Inhalt der Eintragung § 39 AktG
- mit Eintragung erlangt Aktiengesellschaft juristische Persönlichkeit
(§ 41 Abs. 1 Satz 1 AktG)
III. Die Vorgesellschaft (Vor-AG)
- anders als bei der Vor-GmbH hier kaum Rechtsprechung; vgl. nur LG
Heidelberg, ZIP 1997, 2045 (dazu Wiedenmann, ZIP 1997, 2029);
auch OLG Karlsruhe, ZIP 1998, 1961
- trotz der §§ 26 Abs. 2 u. 3, 27, 36 Abs. 2, 36a Abs. 2, 41 AktG grundsätzlich
gleiches "Modell" wie bei der Vor-GmbH (Vorgründungsgesellschaft,
Vorgesellschaft mit weitreichender Rechtsfähigkeit – kein Vorbelastungsverbot,
"automatischer" Übergang der Verbindlichkeiten von Vor-AG auf fertige
Gesellschaft, Unterbilanzhaftung der Gründer auf Zeitpunkt der
Eintragung) – so zumindest generell auch BGHZ 117, 323, 326 f.
- umstritten ist Haftung der Gründer in der Vorgesellschaftsphase:
- 1. wie bei der GmbH wohl nur Innen- und keine Außenhaftung;
- 2. pro-rata-Haftung oder solidarische Haftung der Gründer?
IV. Gründungsmängel und Nichtigkeitsklage
- nach der Eintragung genießt die Gesellschaft einen weitreichenden
Bestandsschutz:
- einzelne Satzungsbestimmungen, die nichtig sind, werden nach § 242
Abs. 2 AktG analog geheilt (so BGH WM 2000, 1544)
- nur bei schwersten Mängeln Nichtigkeitsklage nach den §§ 275
ff. AktG
- wenn das öffentliche Interesse betroffen ist - Amtslöschung
der AG nach den §§ 144 Abs. 1, 144a FGG
- im Umwandlungsrecht noch weitergehender Bestandsschutz vgl. §§ 20
Abs. 2, 131 Abs. 2, 202 Abs. 3 UmwG
V. Nachgründung (§ 52 AktG)
- Tatbestand: AG schließt innerhalb von zwei Jahren nach
der Eintragung Verträge mit Gründer oder mit mehr als 10 %
an der Gesellschaft beteiligten Aktionären über die Übernahme
von Anlagen oder anderen Vermögensgegenständen für eine
Vergütung, die den zehnten Teil des Grundkapitals übersteigt
(§ 52 Abs. 1 n.F.; bis Anfang 2001 waren auch sämtliche Geschäfte
dieser Größenordnung mit Nichtaktionären tatbestandlich
erfasst)
- Verfahren: schriftlicher Vertrag - weitreichende Informationspflichten
gegenüber den Aktionären (§ 52 Abs. 2); Nachgründungsbericht
des Aufsichtsrates (§ 52 Abs. 3); Nachgründungsprüfung durch
externe Prüfer (§ 52 Abs. 4); Beschlussfassung der Hauptversammlung
mit qualifizierter Mehrheit (§ 52 Abs. 5); Anmeldung des Vertrages zur
Eintragung in das Handelsregister (§ 52 Abs. 6)
- Rechtsfolgen bei Verstoß: werden die Nachgründungsvorschriften
nicht befolgt, ist der Übernahmevertrag schwebend unwirksam; unwirksam
sind auch die entsprechenden Ausführungshandlungen (§ 52 Abs. 1
Satz 2) – Vorstand hat also insoweit keine Vertretungsmacht!
|