Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
 

§ 4 Entstehung der Offenen Handelsgesellschaft

Fall 4: A und B gründen im August 2002 die "A & B Baustoff-Handel OHG", um den Handel mit Baustoffen "im großen Stil" zu betreiben. Allerdings vereinbaren beide, die OHG solle ihre Geschäfte erst ab dem 1.1.2003 aufnehmen; "spätestens im Februar oder März 2003" soll dann auch die Anmeldung der Gesellschaft zu Handelsregister herbeigeführt werden. Der Gesellschaftsvertrag bestimmt ferner, dass beide Gesellschafter nur gemeinschaftlich die Gesellschaft vertreten können.

Als A im November 2002 von Z ein günstiges Angebot über die Lieferung von Natursteinen unterbreitet wird, nimmt er dieses Angebot im Namen der A & B Baustoff-Handel OHG an. Z fragt an, ob er sich wegen der Bezahlung der Steine auch an B halten kann.


I. Der gesetzliche Regelfall (§ 123 Abs. 1 HGB)

1. Abschluss des Gesellschaftsvertrages

  • unterschieden werden muss die Entstehung der Gesellschaft im Innenverhältnis (d.h. unter den Gesellschaftern) vom Wirksamwerden der Gesellschaft im Außenverhältnis (d.h. gegenüber Dritten)
  • im Innenverhältnis entsteht die OHG mit Abschluss des Gesellschaftsvertrages – wird nichts anderes vereinbart, so gilt unter den Gesellschaftern sogleich das Recht der OHG und nicht etwa das der GbR (ist wichtig z.B. für Geschäftsführung, vgl. § 709 Abs. 1 BGB mit § 115 Abs. 1 HGB)
  • dauerhaft kann die Wirkung einer OHG aber nicht auf das Verhältnis unter den Gesellschaftern beschränkt bleiben – wegen § 105 Abs. 1 HGB

2. Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister

  • um die Gesellschaft auch im Außenverhältnis entstehen zu lassen ist noch ein Akt der Kundbarmachung nötig – nach dem gesetzlichen Regelfall ist dies die Eintragung in das Handelsregister
  • wichtig: Unterscheidung zwischen der öffentlich-rechtlichen Pflicht zur Anmeldung (§§ 106 Abs. 1, 108 Abs. 1 HGB) und der privatrechtlichen Verpflichtung zur Mitwirkung bei der Anmeldung (Grundlage: Gesellschaftsvertrag)
  • die Anmeldung hat durch sämtliche Gesellschafter zu erfolgen, aber nicht unbedingt höchstpersönlich – beachte auch die Parallelvorschriften: §§ 125 Abs. 4, 143 Abs. 1 u. 2, 144, 148, 175 HGB

3. Wirksamwerden der OHG im Außenverhältnis

  • Zeitpunkt der Eintragung entscheidet und nicht (wie bei § 15 Abs. 1 HGB) der Zeitpunkt der Bekanntmachung

II. Aufnahme der Geschäfte vor Eintragung (§ 123 Abs. 2 HGB)

1. Wirksamwerden der OHG im Außenverhältnis

  • noch vor einer Eintragung in das Handelsregister entsteht die OHG gemäß § 123 Abs. 2 HGB unter gewissen Voraussetzungen (dieser "zweite Weg" ist praktisch bedeutsamer als die vom Gesetz als Regelfall angesehene Variante des § 123 Abs. 1 HGB):

    • Gesellschaft muss auf (voll-)kaufmännisches Handelsgewerbe angelegt sein – dies muss aber nicht gleich den vollen Umfang erreichen
    • es müssen die Gesellschaftsgeschäfte aufgenommen werden – bloße Vorbereitungsgeschäfte reichen aus (z.B. Anmietung von Geschäftsräumen)
    • es muss im Namen der Gesellschaft gehandelt worden sein, d.h. unter deren Firma
    • rein gesellschaftsinterne Vorgänge (z.B. Abschluss des Gesellschaftsvertrages) reichen nicht aus
    • umstritten ist, ob die Zustimmung aller Gesellschafter zur Geschäftsaufnahme erforderlich ist (nach h.M. ist sie erforderlich)

2. Verpflichtung zur Anmeldung

  • nimmt die OHG ihre Geschäfte auf, so greift die öffentlich-rechtliche Anmeldeverpflichtung §§ 106 Abs. 1, 108 Abs. 1 HGB – ist zwangsgeldbewehrt (§ 14 HGB)

3. "Kannkaufmännische" OHG - § 105 Abs. 2 HGB

  • nimmt die Gesellschaft erst nach der Eintragung die Geschäfte auf – siehe unter I.; bei Geschäftsaufnahme vor Eintragung hier ein zweistufiger Entstehungsvorgang: bis zur Eintragung besteht eine GbR, dann ein OHG
  • der Wechsel der Rechtsform lässt jedoch die Identität des Rechtsträger unberührt, deshalb keine Übertragung des Vermögens erforderlich

III. Abweichende Vereinbarungen (§ 123 Abs. 3 HGB)

  • unzulässig: die OHG solle erst zu einem bestimmten Termin nach Eintragung in das Handelsregister entstehen
  • unzulässig: die OHG solle gleich ihre Geschäfte aufnehmen, aber erst zu einem späteren Zeitpunkt im Außenverhältnis wirksam werden
  • zulässig oder unzulässig?: Vereinbarung, die OHG solle vor Eintragung in das Handelsregister ihre Geschäfte aufnehmen, aber noch nicht sofort, sondern erst zu einem bestimmten Zeitpunkt

IV. Rechtsscheintatbestände

  • Scheingesellschaft
  • Scheingesellschafter
  • Scheinhandelsgesellschaft bzw. Schein-OHG
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