§ 2 Gesellschafterfreiheiten und Strukturprinzipien
Fall 2: Die Klempnermeister Rohr und Zange sind Gesellschafter
der Rohr & Zange Sanitär-OHG. Als sie vom finanziellen
Erfolg mancher Unternehmensgründer am Neuen Markt hören,
fassen sie gemeinsam den Beschluß, auch ihre Gesellschaft
solle an interessierte Personen Aktien ausgeben. Die Firma wird
deshalb in Rohr & Zange Aktien-OHG geändert.
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I. Die gesellschaftsrechtlichen Freiheiten und ihre Grenzen
1. Gründungsfreiheit und numerus clausus der Rechtsformen
- Gesellschaften entstehen zwar auf vertraglicher Grundlage, doch muss
jede Gesellschaft einer gesetzlichen Rechtsform zugehören
2. Freiheit der Rechtsformwahl und Rechtsformzwang
- die Gesellschafter dürfen grundsätzlich zwischen den verschiedenen
Rechtsformen auswählen, doch sind einige Formen auf bestimmte Zwecke
beschränkt
3. Gesellschaftsvertragliche Gestaltungsfreiheit und Satzungsstrenge
- bei vielen Gesellschaftsformen besitzen die Gesellschafter sehr weitgehende
Freiheiten zur Ausgestaltung der inneren Verhältnisse ihres Verbandes;
auch sog. atypische Gestaltungen sind zulässig
- anders beim Außenverhältnis - hier Gläubiger- bzw.
Verkehrsschutz erforderlich
- bei Gesellschaften mit zahlreichen Gesellschaftern ist die Gestaltungsfreiheit
dagegen häufig auch bei den inneren Verhältnissen erheblich
beschränkt (hier Mitgliederschutz wichtig), vgl. insb. § 23 Abs.
5 AktG sog. aktienrechtliche Satzungsstrenge; ähnliche Beschränkungen
bei Publikumskommanditgesellschaften
II. Strukturprinzipien
1. Der idealtypische Gegensatz: Personengesellschaft und Körperschaft
Personengesellschaft
(auch: Gesellschaften im engeren Sinn)
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Körperschaften
(auch: Vereine)
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BGB-Gesellschaft als Grundtyp
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eingetragener Verein als Grundtyp
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GbR, OHG, KG, stille Gesellschaft, Reederei, Partnerschaft, EWIV
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e.V., n.e.V., AG, KGaA, GmbH, eG, VvaG, SE
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Personenbezogene Vereinigung mit wenigen Mitgliedern – häufig
Tätigkeitsgemeinschaft
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auf eine größere Zahl von Mitgliedern hin angelegte
und stärker verselbständigte Vereinigung
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Personengesellschaft
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Körperschaften
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Organisationsrechtliche Grundlage: Gesellschaftsvertrag (§ 705
BGB)
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Satzung (§ 57, 58, 59 Abs. 2 Nr. 1 BGB)
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Innere Organisation auf Mitglieder bezogen:
- gemeinschaftliche Geschäftsführung (§ 709 Abs. 1
BGB)
- Gesellschafterbeschlüsse erfordern die Zu-stimmung aller
Gesellschafter (§ 709 Abs. 1)
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Körperschaftliche Organisation
- Geschäftsführung durch Vorstand (§ 27 Abs. 3 BGB)
- Beschlussfassung durch Mitgliederver-sammlung; Mehrheit der
anwesenden Mitglieder entscheidet (§ 32 Abs. 1 BGB)
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Keine juristische Person; Rechtsfähigkeit früher umstritten,
unterdessen aber sehr weitgehend anerkannt
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Juristische Person
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(häufig) Auftreten unter den Namen aller Gesellschafter
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Auftreten unter Vereinsnamen (§ 57)
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Vertretung durch die Gesellschafter (Selbst-organschaft)
– gemeinschaftliche Vertretung als Regel (§ 714 BGB)
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Vertretung durch den Vorstand, dem auch Nichtmitglieder angehören
können (§ 26 Abs. 2 BGB) - (Dritt- bzw. Fremdorganschaft)
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Gesamthandsvermögen
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Vereinsvermögen
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Persönliche Haftung der Gesellschafter für die Gesellschaftsschulden
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Für die Verbindlichkeiten des Vereins haftet nur das Vereinsvermögen
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2. Kapitalgesellschaften
- nicht völlig übereinstimmender Begriffsgebrauch: erwerbswirtschaftliche
Verbände, deren Mitglieder nicht haften (deshalb besondere Regelungen
für Kapitalaufbringung und –erhaltung); Verbände, deren Verbandsstruktur
von der Kapitalbeteiligung geprägt wird (vgl. § 179 Abs. 2 Satz
1 AktG gegenüber § 33 Abs. 1 Satz 1 BGB)
3. Handelsgesellschaften und Formkaufleute
- OHG/KG sind gemäss § 105 Abs. 1 HGB regelmäßig Handelsgesellschaften
(seit 1998 aber auch Vermögensverwaltungs-OHG/KG zulässig;
vgl. § 105 Abs. 2); AG, GmbH, eG sind Formkaufleute (vgl. §§ 3 AktG,
13 Abs. 3 GmbHG, 17 Abs. 2 GenG)
4. Innengesellschaft und Außengesellschaften
- Innengesellschaften entfalten rechtliche Wirkung nur unter den Gesellschaftern
5. Gesamthand und juristische Person
- da unterdessen auch die Gesamthands-Gesellschaft als rechtsfähig
angesehen wird (vgl. nur § 14 Abs. 2 BGB), wird der Unterschied zwischen
Gesamthand und juristische Person teilweise ganz geleugnet – h.M. hält
jedoch wegen unterschiedlicher Strukturprinzipien (vgl. dazu oben unter
II.1) an der Differenzierung fest
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