Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
 

§ 13 Begriff und Entstehung der GmbH

I. Einführung

1. Entwicklung der GmbH als Rechtsform

  • nach der Verschärfung des Aktienrechts durch die Aktiennovelle von 1884 entstand das Bedürfnis nach einer neuen Rechtsform mit größeren Gestaltungsfreiheiten
  • Gesetz v. 20.4.1892 schuf GmbH als reine gesetzgeberische Kunstschöpfung; angesiedelt zwischen den Personenhandelsgesellschaften und der AG (mit Entwicklungsmöglich-keiten in beide Richtungen)
  • Entwürfe eines neuen GmbHG von 1939 und 1969 bzw. 1971/73 zielten auf eine stärkere Anlehnung an das Aktienrecht, wurden aber nicht realisiert

- 1980 erging "kleine" GmbH-Novelle

2. Zum Begriff: Die GmbH als juristische Person, Kapitalgesellschaft und Formkaufmann

  • im GmbHG findet sich (anders als in § 1 AktG) keine Definition der GmbH à das Wesen der GmbH kann aber aus den Regelungen der §§ 1, 5, 13 GmbHG erschlossen werden
  • GmbH ist juristische Person (§ 13 Abs. 1 GmbHG) à für ihre Verbindlichkeiten haftet sie daher zunächst selbst und zwar unbeschränkt
  • da eine Norm wie § 128 HGB fehlt, haften die Gesellschafter grundsätzlich überhaupt nicht für die Verbindlichkeiten der GmbH à Ausnahme: sog. "Durchgriff", der jedoch im deutschen Recht bislang keine größere praktische Bedeutung erlangt hat
  • GmbH ist Kapitalgesellschaft (vgl. z.B. §§ 47 Abs. 1, 2; 50; 53 Abs. 2 GmbHG); trägt aber schon nach der gesetzgeberischen Konzeption (vgl. insb. § 15 Abs. 3 und 5 GmbHG) "personalistische Züge"; diese dominieren auch in der Praxis
  • GmbH ist Formkaufmann (vgl. § 13 Abs. 3 GmbHG), kann aber prinzipiell für jeden gesetzlich zulässigen Zweck gegründet werden (§ 1 GmbHG)
  • Definition der GmbH könnte also lauten:

Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist eine aus einem oder mehreren Gesellschaftern bestehende Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, die ein in Stammeinlagen zerlegtes Stammkapital hat und zu jedem gesetzlich zulässigen Zweck errichtet werden kann.

 

II. Errichtung der Gesellschaft (Neugründung)

1. Abschluss des Gesellschaftsvertrages

  • Gesellschafter können sein: juristische und natürliche Personen, OHG, KG, GbR, Erbengemeinschaft
  • Vertrag muss notariell beurkundet werden (§ 2 Satz 1 GmbHG)
  • Mindestinhalt des Gesellschaftsvertrages (der Satzung) gemäß § 3 GmbHG

· Firma und Sitz der Gesellschaft à §§ 4, 4a GmbHG

· Gegenstand des Unternehmens

· Betrag des Stammkapitals à § 5 Abs. 1 GmbHG

· Stammeinlagen der Gesellschafter à § 5 GmbHG

  • sollen die Gesellschafter sog. Nebenleistungspflichten übernehmen (Stichwort: "Zucker-rübengesellschaften"), so müssen auch diese explizit in der Satzung angegeben werden
  • fast immer enthält die Satzung weitere Regelungen; insbesondere: zur Verwendung des Gewinns, Abtretungsbeschränkungen, Schaffung eines Aufsichts- oder Beirats, Vorschriften für die Gesellschafterversammlung und der Ausübung des Stimmrechts, Regelungen für den Tod eines Gesellschafters
  • neben den "echten" (korporativen) Regelungen enthalten die Satzungen regelmäßig auch nicht-korporative Bestandteile; ferner existieren häufig schuldrechtliche Nebenabreden

2. Anmeldung zum Handelsregister

  • die GmbH ist zum Handelsregister anzumelden (§ 7 Abs. 1 GmbHG) und zwar durch sämtliche Geschäftsführer (§ 78 GmbHG)
  • Anmeldung darf aber erst erfolgen, wenn die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 und 3 GmbHG erfüllt sind à der Gesellschaft muss also zumindest ein Teil des Gesellschaftsvermögens bereits zur Verfügung stehen
  • zum Inhalt der Anmeldung und den beizufügenden Unterlagen vgl. § 8 GmbHG
  • bei der Anmeldung haben die Geschäftsführer gemäss § 8 Abs. 2 und 3 GmbH Versicherungen abzugeben à hieran knüpfen zivilrechtliche Sanktionen an (vgl. § 9a Abs. 1 GmbHG) und sogar strafrechtliche (vgl. § 82 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 5 GmbHG)
  • nach Prüfung der Anmeldung durch das Registergericht (vgl. § 9c Abs. 1 GmbHG) – Eintragung in das Handelsregister (§ 10 GmbHG); anschließend Bekanntmachung à GmbH entsteht mit Eintragung (§ 11 Abs. 1 GmbHG)

III. Vorgründungs- und Vorgesellschaft

  • die Vorgründungsgesellschaft ist ein Zusammenschluss von Personen (regelmäßig in der Rechtsform einer GbR), welche beabsichtigen, eine GmbH zu gründen à entsteht nicht notwendig bei jeder GmbH-Gründung, sondern lediglich im Ausnahmefall
  • mit dem Abschluss des GmbH-Gesellschaftsvertrages in notarieller Form entsteht eine Vorgesellschaft (häufig auch Vor-GmbH genannt), die nicht mit der Vorgründungsgesell-schaft identisch ist
  • die Vor-GmbH ist rechtsfähige Gesellschaft sui generis, auf die bereits weitgehend das Recht der GmbH zur Anwendung kommt à wichtige Ausnahmen von diesem Grundsatz insb. bei der Haftung der Gesellschaft (hierzu unter V.)
  • mit der Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister wird dann aus der Vor-GmbH die (fertige) GmbH
  • die Anerkennung der Existenz einer rechtsfähigen Vorgesellschaft vor der Entstehung der GmbH wirft spezielle Probleme auf: gesichert werden muss , dass das Vermögen der GmbH nicht bereits in der Vorgesellschaftsphase verloren geht (hierzu unter IV.); zudem ist die Haftung der Gesellschafter einer Vor-GmbH zu klären (dazu unter V.)

IV. Vom Vorbelastungsverbot zur Unterbilanzhaftung

  • Schmälerungen des Gesellschaftsvermögens vor Eintragung sollte lange Zeit ein Vorbelastungsverbot verhindern (Vertretungsmacht der Geschäftsführer auf die Durchführung der eintragungsnotwendigen Geschäfte beschränkt)
  • Verbot wurde zunehmend als wenig sachgerecht empfunden, deshalb 1981 Änderung der Rechtsprechung

BGHZ 80, 129

a) Eine Vorgesellschaft wird durch Geschäfte, die ihr Geschäftsführer mit Ermächtigung aller Gesellschafter im Namen der Gesellschaft abschließt, auch dann verpflichtet, wenn nach der Satzung nur Bareinlagen vereinbart sind.

b) Die Rechte und Pflichten aus solchen Geschäften gehen mit der Eintragung der GmbH voll auf diese über (kein sogenanntes Vorbelastungsverbot).

c) Für die Differenz, die sich durch solche Vorbelastungen zwischen dem Stammkapital und dem Wert des Gesellschaftsvermögens im Zeitpunkt der Eintragung ergibt, haften die Gesellschafter anteilig. ...

  • die Gründer der GmbH trifft also eine "Unterbilanzhaftung": sie schulden der GmbH die Differenz zwischen dem satzungsmäßigen Stammkapital und dem tatsächlichen Reinvermögen im Zeitpunkt der Eintragung à Zweck der Haftung: wenigstens zum Eintragungszeitpunkt soll das satzungsmäßige Stammkapital vollständig vorhanden sein

V. Haftung der Gesellschafter einer Vor-GmbH

- Handelndenhaftung nach § 11 Abs. 2 GmbHG

  • höchst umstritten ist die Haftung der (nicht handelnden) Gesellschafter: Rechtsprechung schwankte mehrfach à lange Zeit strenger Standpunkt: Ausdehnung des von § 11 Abs. 2 GmbHG erfassten Personenkreises auf alle Gesellschafter, die der Geschäftsaufnahme zugestimmt hatten à später für unmittelbare Haftung der Gesellschafter, aber nur in Höhe der zugesagten Einlage und nur soweit, wie Einlage noch nicht geleistet worden war (also Haftung wie Kommanditisten)
  • dieses Modell warf nach dem Übergang zur Unterbilanzhaftung Wertungswidersprüche auf: strengere Haftung bei Eintragung als in Vorgesellschaft à mit BGHZ 134, 333 entschied sich der BGH für ein Binnenhaftungsmodell und gegen ein Haftungsmodell nach dem Vorbild von § 128 HGB (Frage ist im rechtswissenschaftlichen Schrifttum aber weiterhin sehr umstritten)

BGHZ 134, 333

a) Die Gesellschafter einer Vor-GmbH haften für die Verbindlichkeiten dieser Gesellschaft unbeschränkt. Es besteht eine einheitliche Gründerhaftung in Form einer bis zur Eintragung der Gesellschaft andauernden Verlustdeckungshaftung und einer an die Eintragung geknüpften Vorbelastungs- (Unterbilanz-)Haftung ... .

b) Die Verlustdeckungshaftung ist ebenso wie die Vorbelastungs-(Unterbilanz-)Haftung eine Innenhaftung ... .

sog. "unechte Vorgesellschaft" ist allerdings OHG oder GbR; hierzu jüngst:

BGH, Urteil vom 4.11.2002 (II ZR 204/00), WM 2003, 27

Scheitert die Gründung einer GmbH, die im Einverständnis ihrer Gesellschafter schon vor der Eintragung in das Handelsregister die Geschäfte aufgenommen hat, finden die Grundsätze der Verlustdeckungshaftung allein dann Anwendung, wenn die Geschäftstätigkeit sofort beendet und die Vorgesellschaft abgewickelt wird. Werden dementgegen die Geschäfte nach diesem Zeitpunkt fortgeführt, haben die Gründer für sämtliche Verbindlichkeiten der Vorgesellschaft, auch für die bis zum Scheitern entstandenen, nach personengesellschaftsrechtlichen Grundsätzen einzustehen (Ergänzung zu BGHZ 134, 333, 341).

 

Zurück