Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
 

§ 10 Die Kommanditgesellschaft

I. Überblick

1. Tatbestandsmerkmale (§ 161 Abs. 1 HGB)

  • eine Gesellschaft
  • deren Zweck auf den Betrieb eines Handelsgewerbes gerichtet ist
  • unter gemeinschaftlicher Firma
  • wenigstens ein Gesellschafter haftet den Gesellschaftsgläubigern unbeschränkt (Komplementär) und zumindest ein Gesellschafter haftet nur beschränkt (Kommanditist)

2. Rechtsgrundlagen

Die gesetzlichen Vorschriften, welche das Recht der KG wesentlich bestimmen, müssen drei verschiedenen Ebenen entnommen werden:

- Anwendung finden zunächst die §§ 161 – 177a HGB ® sind wichtig vor allem für die Rechtsstellung der Kommanditisten

- dann die §§ 105 – 160 HGB (über § 161 Abs. 2 HGB) ® regeln insb. die Stellung der Gesellschaft sowie die Verhältnisse der Komplementäre

    - schließlich die §§ 705 – 740 BGB (über § 105 Abs. 3 HGB) – von Bedeutung sind hierbei insb. die §§ 705 – 707 (Leistung der Beiträge), 718 – 720 (Gesellschaftsvermögen), 738 – 740 (Ausscheiden eines Gesellschafters).

3. Firma

  • muss die Bezeichnung "Kommanditgesellschaft" oder eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung ("KG") enthalten (vgl. § 19 Abs. 1 Nr. 3 HGB)

  • darf auch nach dem neuen Firmenrecht (wohl) nicht nur den Namen eines Kommanditisten enthalten (wegen § 18 Abs. 2 HGB)

4. Kaufmannseigenschaft der KG-Gesellschafter

  • Frage hat insb. Bedeutung für die Anwendung der Sondervorschriften in den §§ 343 ff. HGB auf die Gesellschafter (wichtig ist § 350 HGB ® Befreiung von Formvorschriften für Bürgschaftserklärung u.a.)

  • nach h.M. sind die Komplementäre Kaufleute; die Kommanditisten sind es grundsätzlich nicht ® etwas anderes gilt eventuell, wenn ein Kommanditist als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH die Geschäfte der GmbH&Co. KG führt

II. Entstehung

1. Entstehung der Gesellschaft im Innenverhältnis

  • im Innenverhältnis entsteht die KG grundsätzlich mit dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages durch sämtliche Gesellschafter

  • für den KG-Gesellschaftsvertrag existieren keine Formvorschriften ® konkludenter Abschluss aber schwer vorstellbar (erforderlich ist Einigung über Person des Komplementärs und über die Haftsummen der Kommanditisten)

2. Wirksamwerden der KG im Außenverhältnis

  • Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister durch alle Gesellschafter gemäß § 161 Abs. 2 HGB i.V.m. §§ 106, 108 HGB
  • zusätzliche Vorschriften für die Anmeldung der Kommanditisten in § 162 Abs. 1 HGB ® seit Anfang 2002 neuer § 162 Abs. 1 Satz 2 HGB: falls eine GbR Kommanditistin wird, auch Eintragung sämtlicher GbR-Gesellschafter erforderlich
  • seit Anfang 2001 zudem neuer § 162 Abs. 2 HGB ® Verzicht auf nichtsagende Bekanntmachungen; zudem Abschaffung der auf § 15 HGB gestützten Rechtsscheinhaftung der Kommanditisten ® zu den unmittelbaren Folgen der Änderung und zur möglichen weiteren Entwicklung in diesem Bereich vgl. K.Schmidt, ZIP 2002, 413 ff.

3. Geschäftsaufnahme vor Eintragung

  • -KG entsteht im Außenverhältnis mit Geschäftsaufnahme (§ 123 Abs. 2 HGB), aber Haftung der (zustimmenden) Kommanditisten wie Komplementäre, es sei denn, dem Gläubiger war die Kommanditisten-Stellung bekannt, z.B. weil "GmbH&Co. KG"-Firma gebraucht worden ist (§ 176 Abs. 1 Satz 1 HGB)

  • Funktion von § 176 Abs. 1 Satz 1 letzter Teilsatz hat sich wegen Haftungsverschärfung im Recht der GbR völlig geändert ® aus "Strafvorschrift" wurde "Haftungsprivileg"

4. Entstehung einer "minderkaufmännischen" KG

  • keine Besonderheiten, wenn Geschäfte erst nach Eintragung aufgenommen werden
  • bei Geschäftsaufnahme vor Eintragung entsteht zunächst eine GbR ® Haftung der Gesellschafter nach dem Recht der GbR (dies ergibt sich aus § 176 Abs. 1 Satz 2 HGB)
  • da im Haftungsrecht der GbR, so wie es sich nach der neuesten Rechtsprechung des BGH darstellt (dazu im 11. Kapitel), ein Haftungsprivileg nach dem Vorbild von § 176 Abs. 1 Satz 1 letzter Teilsatz HGB fehlt, würden Gesellschafter bei Klein-KG strenger haften als bei vollkaufmännischer KG ® Lösung eventuell: keine Anwendung von § 176 Abs. 1 Satz 2 HGB (wäre Rechtsfortbildung gegen den ausdrücklichen Gesetzeswortlaut) ® siehe insgesamt zur Problematik von § 176 HGB: K.Schmidt, GmbHR 2002, 341 ff.

5. "Umwandlung" einer OHG in eine KG

  • bei Eintritt eines neuen Gesellschafters als Kommanditist oder zukünftig beschränkter Haftung eines bisherigen OHG-Gesellschafters
  • Identität des Rechtsträgers bleibt erhalten; § 190 Abs. 2 UmwG stellt klar: keine Anwendung der speziellen Regelungen des UmwG
  • im Innenverhältnis kann "Umwandlung" sofort wirksam werden; zur (Ent-)Haftung des neuen Kommanditisten siehe unter V.1.

III. Organisation

1. Nach dem gesetzlichen Modell (keine oder keine abweichende Vereinbarung)

  • Einzelgeschäftsführung durch alle Komplementäre (§§ 114 Abs. 1, 115 Abs. 1 HGB) im Bereich der gewöhnlichen Geschäfte (§ 116 Abs. 1 HGB); Ausschluss der Kommanditisten von der Geschäftsführung, diese haben auch kein Widerspruchsrecht (§ 164 HGB)

  • außergewöhnliche Geschäfte (§ 116 Abs. 2 HGB): gemeinsame Beschlussfassung aller Gesellschafter, d.h. sämtlicher Komplementäre und Kommanditisten, nach Einstimmigkeitsprinzip (§ 119 Abs. 1 HGB) ® es besteht also nicht nur ein Widerspruchsrecht der Kommanditisten (§ 164 HGB ist insoweit missverständlich!)

  • Einzelvertretung durch alle Komplementäre (§§ 125 Abs. 1, 126 Abs. 1 HGB); Ausschluss der Kommanditisten von der organschaftlichen Vertretung (§ 170 HGB)

  • Informationsrechte: · der Komplementäre vgl. § 118 HGB; · der Kommanditisten ® völlig unzulängliche gesetzliche Regelung in § 166 HGB

2. Abweichende gesellschaftsvertragliche Gestaltungen

  • siehe allgemein zu den Gestaltungsmöglichkeiten das Papier zum 6. Kapitel, unter III.; bei der KG zudem die Frage: Inwieweit ist es zulässig, die gesamte innere Ordnung auf einen Kommanditisten als Unternehmensleiter zuzuschneiden? hierzu BGHZ 45, 204 ("Rektor-Fall")

IV. Einlage und Haftung des Kommanditisten

1. Unterscheidung zwischen Einlage und Haftsumme des Kommanditisten

Einlage: der vom Kommanditist in das Gesellschaftsvermögen zu leistende Beitrag – erlangt zunächst nur im Verhältnis Gesellschaft – Gesellschafter Bedeutung

Haftsumme: Höchstbetrag, bis zu dem der (eingetragene) Kommanditist den Gläubiger der KG haftet – wird im Gesellschaftsvertrag bestimmt und ins Handelsregister eingetragen

Auslegungsregel: Ein im Gesellschaftsvertrag für die Höhe der Einlage genannter Geldbetrag gibt zugleich auch die Höhe der Haftsumme an.

2. Die Haftung des Kommanditisten - Überblick

Haftung des OHG-Gesellschafters und des Komplementärs

Haftung des Kommanditisten

primär (d.h. nicht subsidiär nach der Gesellschaft)

primär

unmittelbar (d.h. nicht nur Nachschusspflicht im Innenverhältnis)

unmittelbar

auf das Ganze (und nicht nur pro rata)

auf das Ganze

unbeschränkt (d.h. weder gegenständlich noch summenmäßig beschränkt)

summenmäßig beschränkt auf die Höhe der im Handelsregister eingetragenen Haftsumme (vor der Eintragung siehe aber § 176 HGB: grundsätzlich unbeschränkte Haftung)

Haftungsbeschränkung oder – ausschluss im Innenver-hältnis: kann von Gesellschaftern vereinbart werden

Haftungsbeschränkung oder – ausschluss im Innenver-hältnis: kann von Gesellschaftern vereinbart werden

Haftungsbeschränkung oder –ausschluss im Außenver-hältnis: ist nicht möglich, vgl. § 128 Satz 2 HGB

Haftungsbeschränkung oder –ausschluss im Außenver-hältnis: ja, nach vollständiger Leistung der vereinbarten Einlage, falls deren Höhe die der festgelegten Haftsumme entspricht (§ 171 Abs. 1 HGB); eventuell aber Wiederaufleben der Haftung (§ 172 Abs. 4 HGB)

  • (anders als OHG-Gesellschafter und Komplementäre) haften Kommanditisten grundsätzlich nicht auf Erfüllung

3. Haftungsausschluss durch Einlageleistung - § 171 Abs. 1 HGB

  • Gesellschafter muss "auf die Einlage leisten"
  • bei der Leistung muss es sich um einen effektiven Risikobeitrag handeln, d.h. die Leistung befreit nur in Höhe ihres effektiven Werts von der Haftung
  • keine weitere Haftung aber auch dann, wenn die Haftsumme bereits "verbraucht" ist ® in diesem Fall hat die KG zwar noch eine Einlageforderung gegen den Gesellschafter; dieser kann jedoch mit seinem Regressanspruch aus § 110 HGB aufrechnen (bei Sacheinlageverpflichtung eventuell Zurückbehaltungsrecht)

4. Wiederaufleben der Haftung durch haftungsschädliche Einlagenrückgewähr

  • vgl. § 171 Abs. 4 HGB – zum Wiederaufleben der Haftung führt zum einen eine (direkte) Entnahme vom Einlagen- bzw. Kapitalkonto; zum anderen aber auch jeder sonstige Kapitalrückfluss an den Kommanditisten (oder für seine Rechnung an einen Dritten), der in der Sache auf eine Umkehr der Einlageleistung hinausläuft

  • Wiederaufleben der Haftung ferner insoweit, wie der Kommanditist Gewinne entnimmt, obwohl sein Kapitalanteil durch Verluste unter den Betrag seiner Haftsumme herabgemindert worden ist (§ 171 Abs. 4 Satz 2 HGB)

  • Sonderregelung für Scheingewinne in § 172 Abs. 5 HGB – vgl. diese Vorschrift mit § 31 Abs. 2 GmbHG und § 62 Abs. 1 S. 2 AktG ® Kommanditist wird weniger geschützt als Aktionär

V. Eintritt und Ausscheiden des Kommanditisten

1. Eintritt

  • Haftung des neueintretenden Kommanditisten nach §§ 173, 176 Abs. 2 HGB ® in der Praxis wird der Eintritt einer unbeschränkten Haftung nach § 176 Abs. 2 HGB durch besondere vertragliche Konstruktionen vermieden
  • Enthaftung des ehemaligen OHG-Gesellschafters nach § 160 Abs. 3 HGB

2. Ausscheiden

  • in der Auszahlung des Abfindungsguthabens liegt Rückgewähr der Einlage i.S.v. § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB ® Enthaftung des Ausscheidenden nach § 160 HGB

3. Anteilsübertragung

  • wird Auswechselung eines Kommanditisten nicht als Kombination von Ein- und Austritt, sondern als Anteilsübertragung konstruiert, braucht die Einlage nur einmal erbracht zu werden, mit der Folge, dass bei einer bereits geleisteten Einlage weder Alt- noch Neukommanditist haften
  • als Voraussetzung für die Nichthaftung des Ausscheidenden wurde bislang ein ausdrücklicher Rechtsnachfolgevermerk im Handelsregister verlangt ® durch die Neuregelung des § 162 Satz 2 HGB, der die Anwendung von § 15 Abs. 1 HGB ausschließt (vgl. oben) und auf den § 162 Abs. 3 HGB für den Wechsel des Kommanditisten verweist, wurde diese Haftungsfalle beseitigt
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